Die Geschichte meines Vaters – eine Graphic-Novel entsteht

Erinnerungen meines Vaters an die Zeit von 1910 bis 1949 mit Hunger und Armut in Ostpreußen, Schlägereien in Berlin, Veränderungen während des Hitler-Regimes, Polenfeldzug und Kriegsgefangenschaft in Sibirien

Der Anfang ist gemacht.

Es ist inzwischen lange her, dass mein Vater mir die 10 Seiten seiner „Memoiren“ (Originalton) in die Hand gedrückt hat, mit der Bitte die Geschichte irgendwie zu veröffentlichen. „Du bist doch Journalistin“, hatte er gesagt.

Und ich hatte dagesessen mit meinem Talent, fühlte mich überfordert. Ich hatte damals in der Lokalredaktion der Kieler Nachrichten gearbeitet, die auf die Geschichte meines Vaters vermutlich nicht wirklich gewartet hatten.

Ein Nachlass aus Briefen, Dokumente und Fotos

Mein Vater starb 1992.
Nachdem dann 1998 auch meine Mutter gestorben war, nahm ich vor allem die persönlichen Dinge, Ordner mit Briefen, Dokumenten und Fotos aus meinem Elternhaus mit.

Sie durchzublättern war nicht einfach. Zu sehen, zu lesen, die Originaldokumente und Briefe dessen in der Hand zu halten, was sie durchgemacht hatten, hatte mich zutiefst erschüttert. Es ist eins, die Geschichten in netten Plaudereien beim Kaffee auf Familienfeiern zu hören als tatsächlich die Dokumente aus dieser Zeit in der Hand zu halten. Ich musste die Dinge immer wieder weglegen.

Auch damals suchten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten Schutz

2015 als viele Flüchtlinge aus Kriegsgebieten bei uns Schutz und Hilfe suchten, entschied ich mich, die Geschichten meiner Eltern zu veröffentlichen. Sie waren auch Flüchtlinge und hatten die gleichen Schrecken eines Krieges erlebt wie die, die nun zu uns kamen.

Ich fand, es war an der Zeit, Dinge zu erzählen, die offensichtlich bei vielen in Vergessenheit geraten waren.

Dokumentation und Roman der 20er, 30er und 40er Jahre

„… und schließlich Holstein“ ist die Dokumentation im Originalwortlaut dessen, was meine Eltern aufgeschrieben hatten. Ein paar Originaldokumente hab ich hier ebenfalls eingescannt und schließlich alles bei Amazon veröffentlicht.

„Alle Raben heißen Prisuch“ ist der Roman, den ich aus den Erzählungen meiner Eltern geschrieben hab. Denn vieles hatten sie nicht aufgeschrieben. Ich hatte die Geschichten aber in Erinnerung, weil sie immer wieder erzählt wurden.

Die Geschichte als Graphic Novel

Die Geschichte zu schreiben, sich den Erinnerungen zu stellen, war nicht immer einfach.

Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Abend, als mein Vater und ich gemeinsam einen Fernsehfilm über Konzentrationslager gesehen hatten. Er war sehr still und sagte schließlich: „So war es bei uns auch.“ Es waren längst nicht nur die Grausamkeiten von Lagerleitung und -personal. Fast schlimmer war für ihn auch der Umgang der Häftlinge untereinander. „In Gefangenschaft sind sie wie die Tiere – egal, aus welchem Elternhaus sie kommen“, sagte er und „ausnahmslos alle vergessen ihre gute Erziehung.“
Gute Erziehung. Ich weiß nicht, was er damit meinte. Mein Vater war sicherlich gut erzogen. Ein Mensch, der zuhören konnte, nie urteilte, jeden nahm wie er war und das Leben und seine Tücken augenzwinkernd und mit Humor nahm, seinen Optimismus und die Liebe zu den Menschen bis zum Schluss nie verloren hatte.
Dabei kam er aus extrem ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater war schon 1911 gestorben und seine Mutter musste ihre Kinder irgendwie durchbringen. 

Wieder aktuell 

Nachdem sich  aktuell die politische Landschaft immer weiter in eine Richtung bewegt, die dem sehr nahe kommt, wovon mein Vater erzählt hat – die Spaltung der Gesellschaft in „wir“ und „die“, Gewalt und Schlägereien in Berlin, Propaganda die an die Naziparolen von damals erinnern – denke ich, es wird Zeit, die Geschichte vielleicht nochmal zu zeichnen. Als Graphic Novel. Für die, die vielleicht nicht gerne lesen.

Es sind nicht mehr viele da, die sich an die Zeiten erinnern.

#niewiederistjetzt